Interviews mit Alumni

Barbara Anna Bernsmeier, Kulturmanagerin

Tätigkeit: Kulturmanagerin

Studiengänge: Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Slavistik, Neuere Deutsche Literatur

Universitäten: Ludwig-Maximilians-Universität München, Staatliche Universität Orenburg (Russland)

Ich arbeite seit fünf Jahren als freiberufliche Kulturmanagerin sowie als Projektleiterin beim EU-Russland Zivilgesellschaftsforum. Ich konzipiere, koordiniere und gestalte grenzüberschreitende kulturelle Begegnungen, vor allem im deutsch-russischen Kontext.

Im Augenblick befinde ich mich beinahe auf dem Sprung nach Almazy, Kazachstan, wo ich auf Einladung des Goethe-Instituts einen Workshop zu Kultur und aktiver Bürgerschaft gestalten werde. Im April war ich zwei Wochen mit einem Team in den russischen Regionen unterwegs, um einen Dokumentarfilm zu drehen. Projekte und Tätigkeiten führen mich auch ins deutsch-polnische Grenzgebiet, nach Breslau, in etliche russische Städte, Georgien, Vilnius, Rumänien und viele weitere Orte. Oft sitze ich aber auch einfach in meinem Heimatort Berlin an meinem Schreibtisch und schreibe Anträge, Verwendungsnachweise, kommuniziere und koordiniere. Mit engen Kolleg*innen treffe ich mich oft zu regelmäßigen Planungsrunden.

Die interdisziplinäre und internationale Ausrichtung des Faches AVL hat selbstverständlich dazu beigetragen, dass ich mich auch in meinem jetzigen Beruf stets zwischen vielen Bereichen, Genres, Kulturräumen, Sprachen und Akteuren bewege. Mir hat von Anfang an im Studium gefallen, dass es den Dialog der Medien und Kunstformen in den Vordergrund gestellt hat und sich stets über die Grenzen des eigenen Faches hinaus bewegte.

Während des Studiums habe ich mich bereits schwerpunktmäßig mit dem russischsprachigen Raum und Kulturen beschäftigt – etwas später kam auch noch das Interesse für Polen dazu. Nach Abschluss des Studiums war ich erst einmal für drei Jahre in Russland, wo ich unter anderem für das Goethe-Institut und die Robert Bosch Stiftung im Kultur- und Bildungsbereich tätig war.

Ganz praktisch: Die russische Sprache! Außerdem habe ich im Magisterstudium mit jedem Semester mehr gelernt, mich selbstständig und frei zu organisieren, Pläne aufzustellen (und einzuhalten) sowie Texte und Vorträge sinnvoll zu strukturieren und zu verfassen.

Weitere wichtige Erfahrungen waren in erster Linie mein Studienaufenthalt in Russland an der Universität Orenburg im Südural, die Teilnahme an DAAD-Sommerschulen und weitere private Reisen nach Osteuropa. Außerdem habe ich mich ehrenamtlich mit anderen Studierenden im Verein Ahoj Nachbarn engagiert und das erste polnische Filmfestival in München auf die Beine gestellt.

Die Sommerfeste waren legendär. Und die Vorfreude, wenn das frisch gedruckte kommentierte Vorlesungsverzeichnis zum Ende des Semesters erschien, auf das sich alle gleich stürzten. Außerdem habe ich einen Großteil meines engen Freundeskreises im Studium (und sogar im ersten Semester im Einführungsseminar der AVL) kennengelernt: Noch heute sind wir in regem Kontakt und ich habe meine Studienfreunde schon in Montréal, Paris, Dublin und Norditalien besucht und wieder getroffen.

Ich würde von Anfang an mich trauen, mehr Fragen zu stellen und mir keine Sorgen darüber zu machen, ob meine Kommiliton*innen vielleicht mehr wissen als ich. Außerdem würde ich noch eine weitere Sprache intensiv lernen und weitere Auslandssemester wahrnehmen.

Philipp Bovermann, Kulturkritiker

Tätigkeit: Kulturkritiker

Studiengänge: Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Philosophie, Amerikanische Literaturgeschichten

Universitäten: Ludwig-Maximilians-Universität München, King's College London, Hochschule für Fernsehen und Film, Theaterakademie August Everding

Ich schreibe freiberuflich fürs Feuilleton beziehungsweise den Kulturteil verschiedener Medien, hauptsächlich der Süddeutschen Zeitung. Für die SZ betreue ich außerdem gemeinsam mit Kollegen deren Social Media-Kanäle.

Tagsüber schreiben oder sich Themen ausdenken. Abends ins Kino.

Meinen ersten Artikel habe ich mit 15 in einer Lokalzeitung veröffentlicht – ein Konzertbericht über den Auftritt einer Metal-Band in meinem Dorf. Während des Studiums habe ich Theaterkritiken geschrieben, anschließend Literaturrezensionen. Irgendwann bin ich beim Film und beim Themenbereich Digitalisierung angelangt.

Verschiedene Themenbereiche produktiv miteinander in Beziehung zu setzen. Vor allem aber intellektuelle Präzision. Man kann sich auch mit den Texten von Renaissance-Philosophen bewaffnet an einer Lektüre der Science Fiction-Stoffe im zeitgenössischen Musiktheater versuchen, solange nur etwas dabei herauskommt, das außer einem selbst noch jemand versteht.

Nicht unbedingt beruflich, aber persönlich sehr bereichernd fand ich es, in einem damals noch autonomen Studentenwohnheim gelebt zu haben. Geisteswissenschaftler, die nur stur Texte fressen und ausspucken, machen in meinen Augen etwas falsch.

Ein irrer Sommer, den ich in der muffigen, inzwischen abgerissenen Romanistik-Bibliothek verbracht habe. Mit Walter Benjamins „Trauerspielbuch“. Das hat mir erst Tränen vor Wut in die Augen getrieben, weil ich es einfach nicht verstanden habe. Dann wurde es mein LSD. In ein endloses Word-Dokument schrieb ich Notizen mit fünf Ausrufezeichen. Manchmal rannte ich nach einer halb gerauchten Zigarette zurück zu meinem Platz, um all die Einfälle nicht zu vergessen, die mich überfallen hatten, während ich schmökend vor der Tür stand.

Ich würde versuchen, mehr Autoren aus nicht-westlichen Kulturkreisen zu lesen. Speziell das Fach Philosophie gehört zum Beispiel eigentlich mal umbenannt in „Philosophie Europas und Nordamerikas“.

Melina Brüggemann, Lektorin

Tätigkeit: Lektorin in einem Publikumsverlag

Studiengänge: Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft

Universitäten: Ludwig-Maximilians-Universität München, Université Paris-Sorbonne IV, Princeton University

Ich arbeite als (Junior-)Lektorin für die Ullstein Buchverlage in Berlin und unterstütze dort aktuell den Aufbau eines neuen Imprints.

Tatsächlich verbringt man, anders als viele denken, nicht den gesamten Tag damit, Manuskripte zu lesen … dafür aber die Abende. Das Prüfen von Texten ist ein Hauptbestandteil des Alltags einer Lektorin, ebenso wie die Akquise von neuen Buchprojekten und die Entdeckung von Autor:innen. Der regelmäßige Austausch mit Literaturagent:innen, Literaturscouts, Literaturvermittler:innen und Übersetzer:innen ist dafür unerlässlich – genauso wie eine gute Kenntnis des Buchmarkts. In der täglichen Arbeit nehmen die Zusammenarbeit mit Autor:innen und das Lektorieren von Texten, die im Verlagsprogramm veröffentlicht werden, sowie das allgemeine Projektmanagement viel Zeit und Raum ein. Darüber hinaus werden Cover gebrieft, Verlagsvorschauen für den Handel erstellt, Metadaten und -texte produziert, Umschlagtexte geschrieben, Druckfahnen korrigiert und vieles mehr.

Kurz zusammengefasst: Im besten Fall gelingt es, gute Texte noch ein kleines bisschen besser zu machen, ihren Entstehungs- und Veröffentlichungsprozess unterstützend zu begleiten und sie mit Sorgfalt und Engagement in die Buchläden, Medien und – am wichtigsten – zu den Leser:innen zu bringen.

Den Wunsch, in einem Verlag zu arbeiten, hatte ich bereits zu Beginn meines Studiums, allerdings stand währenddessen für mich neben verschiedenen Praktika und Nebenjobs vor allem das wissenschaftliche Arbeiten im Vordergrund. Zwischen einem Auslandssemester und meiner Masterarbeit absolvierte ich dann ein dreimonatiges Praktikum im Lektorat von Hanser Berlin im Carl Hanser Verlag. Anstelle eines üblichen Volontariats entschied ich mich nach meinem Studium für eine Stelle als Assistentin des Verlegers bei Ullstein – und bin mittlerweile Teil des Lektorats dort.

Die AVL selbst hat mich nicht in den Beruf gebracht, die wissenschaftliche und theoretische Ausbildung hat mit der praktischen Tätigkeit in der Buchbranche letztlich wenig zu tun. Und auch wenn ich mir während des Studiums mehr Berufsperspektiven gewünscht hätte, verstehe ich rückblickend auch – zumindest zum Teil –, warum dies nicht zur Hauptaufgabe der Geisteswissenschaft gehört. Zugleich hilft mir mein Studium jeden Tag dabei, Texte einzuordnen, Worte zu finden, um über sie zu sprechen, mich in verschiedenste Inhalte einzuarbeiten, Strukturen zu erkennen und Ambivalenzen auszuhalten.

Diese inhaltliche Ebene ist aber losgelöst von der formalen, zeitlichen und ökonomischen: Praktikumsplätze im Literatur- und Kulturbetrieb sind für den Berufseinstieg fast immer notwendig, aber meist begrenzt und schlecht oder gar nicht bezahlt.

Lesen, Schreiben und Denken. Das mag selbstverständlich klingen, ist es für mich aber keineswegs.

Das Institut in München ist für mich insbesondere im Masterstudium ein wissenschaftliches Zuhause geworden, und in meinem vieles infrage stellenden ersten Semester hätte ich nie gedacht, dass ich einmal mit so viel Dankbarkeit und Nostalgie an meine Zeit dort zurückdenken würde. Ich habe viele Seminare besucht, die mein Denken verändert haben, an prägenden Diskussionen und Kolloquien teilgenommen, konnte das Institutsleben als Fachschaftsmitglied aktiv mitgestalten, als Tutorin Erstsemester betreuen, als wissenschaftliche Hilfskraft Forschungsprojekte unterstützen, ins Ausland gehen, eigene Veranstaltungen mit Kommiliton:innen organisieren, und wurde auf eigentlich allen Ebenen gefordert und gefördert. Was mir aber besonders in Erinnerung bleibt, sind die engagierten Studierenden und die Offenheit, mit der ihnen und ihrem kritischen Denken in den meisten Fällen begegnet wird.

Nicht nur etwas, sondern viel! Ich würde viel mehr Fragen und Nachfragen stellen, keine Angst vor vermeintlicher Banalität und keine Ehrfurcht vor unnötigen Verkomplizierungen haben. Ich würde im Seminarraum versuchen, mehr miteinander zu sprechen, als nach- und nebeneinander. Die Seminarpläne und Lektürelisten kritischer hinterfragen. Ein anderes Nebenfach wählen. Und ich würde versuchen, den gesellschaftlichen und politischen Außenraum stärker und aktiver in den Seminarraum hineinzutragen, mehr Eigeninitiative zu ergreifen und in Form von selbst organisierten Lesungen, Diskussionen und Schreibprojekten noch reger an gegenwartsliterarischen Diskursen teilzunehmen.

Dr. Anna-Lisa Dieter, Kuratorin

Name: Dr. Anna-Lisa Dieter

Beruf: Kuratorin

Studiengänge: AVL, Romanistik, Germanistik

Universitäten: Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Université de Bourgogne Dijon, Ludwig-Maximilians-Universität München, Columbia University New York, als Lehrende: Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Universität Konstanz

Bei BIOTOPIA, dem neuen Naturkundemuseum in München, als Kuratorin.

Im kuratorischen Team konzipieren wir die Dauerausstellung des zukünftigen Museums. Sie ist nach den Verhaltensweisen organisiert, die alle lebendigen Wesen – Pflanzen, Tiere, dazu gehören auch Menschen – verbindet: Schlafen und Träumen, Wahrnehmen und Kommunizieren, Bauen und Gestalten, Essen und Trinken, Bewegen und Wandern, Kämpfen und Verteidigen, Flirten und Fortpflanzen. Zudem kuratiere ich in diesem Jahr das Vortragsprogramm unseres Festivals zum Thema „Sinne: Die Welt durch andere Augen sehen“ sowie ein Display, das die Themen des Festivals einführend präsentiert.

2017 habe ich mich erstmals für die wissenschaftlich-kuratorische Arbeit in einem Museum interessiert und mich beim Deutschen Hygiene-Museum in Dresden beworben. Ich wollte gerne weiterhin wissenschaftlich-inhaltlich, aber an der Schnittstelle zu einer größeren kulturell interessierten Öffentlichkeit arbeiten. Der in Deutschland einzigartige kulturwissenschaftliche Ansatz des Hygiene-Museums, die Kombination aus Wissenschaft, Kunst, Museums- und Alltagsobjekten in stark an der Gegenwart orientierten Ausstellungen, hat mich fasziniert. In Dresden war ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team der Ausstellung „Future Food. Essen für die Welt von morgen“ tätig und habe mich dann auf die Stelle einer Kuratorin bei BIOTOPIA beworben. Hier hat mich die Möglichkeit gereizt, eine Institution von Grund auf mit aufzubauen und gemeinsam eine neue Vision für ein Naturkundemuseum des 21. Jahrhundert zu entwickeln, die auch drängende zeitgenössische Diskurse wie die Klimakrise und den Biodiversitätsverlust miteinbezieht sowie die Provenienzforschung auf das Feld der Naturkunde überträgt.

Denken, Sprechen, gedankliche Komplexität Aufbauen und Reduzieren, Unverständlichkeit, Widersprüche und Nichtwissen Aushalten, trotzdem nach Klarheit Suchen, der Satz einer Professorin: Kinderfragen sind oft die schwierigsten Fragen. All das hilft sehr beim Konzipieren von Ausstellungen.

Dann Lesetechniken wie das Close Reading, das sich auch auf Phänomene der Naturkunde und Naturwissenschaft beziehen lässt. Auch die Lust am interdisziplinären Arbeiten verdanke ich dem AVL-Studium. Im Museum setzen wir es tatsächlich um, indem immer eine Naturwissenschaftlerin mit einer Kulturwissenschaftlerin im Tandem an einem Ausstellungsthema arbeitet.

Die Arbeit an der Dissertation war vor allem eine wichtige Schule des Schreibens, die mir das Verfassen von Texten im Arbeitsalltag erleichtert und es mir zudem ermöglicht, nebenbei als freie Autorin für Zeitungen und Verlage tätig zu sein.

Die intensiven Diskussionen auch über die Seminare hinaus, bei denen ich sehr viel über die Möglichkeiten und Grenzen sowie die Moderation von Gesprächen gelernt habe. Das ist bei jeder Sitzung oder Präsentation hilfreich. Wer die Diskussionskultur der Münchener Literaturwissenschaft gewohnt ist, dem wird es in jeder anderen Institution mühelos gelingen, die eigene Position zu behaupten.

Die Begegnung mit unterschiedlichen Kulturen und Typen von Gelehrsamkeit – die Diva, der Guru, der Underdog, der Überflieger etc. – war eine prägende Erfahrung.
Aber auch die schöne Ernsthaftigkeit in den AVL-Seminaren und die unhinterfragte Relevanz der literaturwissenschaftlichen Gegenstände, auch des Kanons, die Auseinandersetzung mit schwer verständlicher, aber aufregender Theorie.

Im Rückblick wäre ich gerne etwas weniger vom akademischen Kosmos beeindruckt gewesen. Weniger Reibung an Personen und institutionellen Strukturen, mehr Fokus auf Inhalte und Wissen. Aber das kann man natürlich erst nachträglich zur Erfahrung als Wunsch formulieren.

Lucas-Jan Dörre, Promotionsstudent

Tätigkeit: Promotionsstudent

Studiengänge: Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Physik, Medieval & Modern Languages

Universitäten: Ludwig-Maximilians-Universität München, University of Oxford

Ich promoviere seit Oktober 2017 in Germanistik an der University of Oxford. In meiner Arbeit beschäftige ich mich mit deutschsprachiger Lyrik um 1900 und wie verschiedene Bewegungsdiskurse dieser Zeit Ästhetik und Poetik der Gedichte beeinflussen.

Im Allgemeinen ist mein Tagesablauf sehr selbstbestimmt, da ich nicht, wie in Deutschland meistens üblich, neben meiner Promotion noch als Mitarbeiter im Institut angestellt bin.

Während der jeweils achtwöchigen Trimester strukturiert sich mein Zeitplan stärker durch verschiedene Univeranstaltungen.

Dazu gehört ein Research Seminar, in dem man zusammen mit den anderen Germanistikstudierenden des Jahrgangs und einem Professor Forschungsarbeiten oder diverse andere Texte bespricht. Zusätzlich hat man im Rahmen eines studentisch organisierten Seminars die Möglichkeit, kleinere Aufsätze oder Ideen vorzustellen oder zu diskutieren.

Ich finde es ist wichtig, schnell zu verstehen, dass man mit den Dozierenden offen sprechen kann und auch soll. Ob es nun um Fragen, Wünsche, persönliche Projekte oder knappe Deadlines geht, immer bin ich auf Verständnis und Hilfsbereitschaft gestoßen. Ich habe beispielsweise schon früh gewusst, dass ich gerne im englischsprachigen Ausland meinen Master machen wollte und nach kurzer Nachfrage war es mir problemlos möglich, kleinere Arbeiten auf Englisch zu verfassen, um so schon einmal etwas Übung zu sammeln. Sehr schön und hilfreich für mich ist es auch gewesen, gegen Ende meines Studiums zusammen mit einer Kommilitonin ein Tutorium für den damaligen Einführungskurs in AVL zu leiten. Es hat mich einerseits darin bestärkt, später eine akademische Laufbahn zu verfolgen und andererseits ist es ein guter Perspektivwechsel gewesen.

Am stärksten in Erinnerung geblieben aus München ist mir die gesamte Atmosphäre des AVL-Instituts. Durch die sehr überschaubare Größe ist alles sehr angenehm familiär. Man lernt nicht nur Studierende des eigenen Jahrgangs gut kennen, sondern auch spätere und frühere Semester. Auch die Dozierenden sind durchweg sehr offen, hilfsbereit und zugänglich. Wunderbar ist auch, dass man die Möglichkeit bekommt, ein Blockseminar in z.B. Venedig zu besuchen, was ohne Frage eine einmalige und schöne Erfahrung ist.

Ich würde mich wahrscheinlich schon von Anfang an mehr in das Institut und die Fachschaft integrieren. Nachdem gerade die Arbeit mit und für die Fachschaft so wichtig und bereichernd für mich war, ist es etwas bedauerlich, dass ich erst ab dem Ende des zweiten Semesters so wirklich damit begonnen habe. Und – natürlich – würde ich nicht wieder sechs Semester Physikstudium abwarten vor dem Wechsel zu AVL.

Nicolas Freund, Journalist

Tätigkeit: Journalist

Studiengänge: Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Theater-, Film- und Fernsehkritik

Universitäten: Ludwig-Maximilians-Universität München, King’s College London, Hochschule für Fernsehen und Film München, Bayerische Theaterakademie August Everding

Ich arbeite als Redakteur für die Süddeutsche Zeitung in verschiedenen Funktionen. Aktuell als Chef vom Dienst im Feuilleton, d.h. ich betreue und koordiniere die tägliche Produktion der gedruckten Seiten und der digitalen SZ. Nebenbei schreibe ich über Themen, die ich mir fast immer frei aussuchen kann, meistens Literatur- und Filmkritiken.

Wie viele Büroalltage wahrscheinlich. Morgens Konferenzen, dann wird es bis zum Nachmittag, wenn die Zeitung gedruckt wird, zunehmend stressig. Dafür ist die Arbeit jeden Tag mehr oder weniger abgeschlossen. Man sitzt aber glücklicherweise nicht nur im Büro. Oft muss man für Recherchen und Termine in andere deutsche Städte, vor allem nach Berlin. Etwa einmal im Jahr mache ich auch eine größere Reise für ein paar Tage ins Ausland. Man muss natürlich jeden Tag überdurchschnittlich gut über das Nachrichtengeschehen informiert sein. Ein Stunde für Zeitunglesen, Nachrichten, Podcasts usw. sollte man zusätzlich zur Arbeitszeit mindestens einplanen.

Schon vor dem Abitur wollte ich Journalist werden, habe während dem Studium aber tatsächlich nur sporadisch an der Verwirklichung dieses Wunsches gearbeitet und mich eher auf die Uni konzentriert. Nach dem Master in Komparatistik habe ich begonnen, ernsthaft als Journalist zu arbeiten.

Abstrakt zu denken. Vor allem die Theorien die man in der Komparatistik kennenlernt, helfen im Berufsalltag tatsächlich. Nicht, weil man in der Sitzung mit Begriffen aus der Psychoanalyse um sich werfen kann oder so toll die Vorurteile des Kollegen dekonstruiert, sondern weil man komplexe Zusammenhänge denkbar und weiterverwendbar machen kann. Schreiben lernt man, entgegen anderslautender Vorurteile, in der Komparatistik nicht. Lesen dafür sehr gut.

Ich war während des Studiums auch in der Fachschaft aktiv, was eine tolle Erfahrung war, weil man das Institut und die Universität aus einer anderen Perspektive kennenlernt und weil man danach ziemlich genau weiß, wie man ein Sommerfest organisiert.

Meine Auslandssemester in London waren eine wichtig Erfahrung aus den Gründen, die wahrscheinlich für jedes Auslandssemester gelten: Man erweitert ungemein den eigenen Horizont und lernt sich selbst besser kennen.

Ich würde wieder Komparatistik studieren – nur das Nebenfach (Germanistik, Neuere deutsche Literatur) würde ich nicht wieder wählen. Nicht, weil es mir nicht gefallen hat, sondern weil man alle Inhalte dieses Studiums auch in der Komparatistik mitnehmen kann. Stattdessen würde ich lieber eine Fremdsprache oder ein ganz anderes Fach wie Politik oder sogar Recht, Informatik oder ähnliches wählen. Aber ich empfinde das nicht als Versäumnis. Man kann sich auch nach dem Studium selbst in viele andere (geistes-)wissenschaftliche Bereiche einlesen und lernt auch im Beruf noch sehr viel Neues.

Alexandra Füller, Glasmacherin

Tätigkeit: Glasmacherin im uneigentlichen Sinn: Ich leite ein exportorientiertes Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau für die Glasproduktion mit 45 Mitarbeitern

Studiengänge: Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Slawistik und Germanistik, Philosophie

Universitäten: Ludwig-Maximilians-Universität München; Columbia University, New York

Ich bin Unternehmerin und leite eine Technologiefirma, die sich auf Produktionsanlagen für die Glasindustrie spezialisiert hat: Das reicht von teuren Weingläsern und Vasen über Autoscheinwerferlinsen bis hin zu Glasimplantaten im Dentalbereich, Hochleistungsfasern und Autobatterieseparatoren. Meine berufliche Laufbahn verlief also anders als gedacht…

Nach dem Studium habe ich in einer Werbeagentur gearbeitet und mich recht schnell wieder nach der Uni gesehnt. Um meine Promotion zu organisieren, habe ich in der Firma meiner Eltern gejobbt und habe dort viele der Aufgaben für mich entdeckt. Die Diss wurde dann selbstverständlich nie geschrieben... Aber der Uni bin ich mit sehr engen Forschungs- und Entwicklungs-Kooperationen im technischen Bereich treu geblieben. Und nach vielen Jahren der ganz und gar praktischen Mühen, bietet sich für mich als Mitglied des Hochschulrates der Uni Bayreuth eine außerordentlich spannende neue Perspektive auf den akademischen Betrieb.

Sich in einem schier unüberschaubaren Feld zu sortieren und Kanonisierungen zu nutzen, ohne sie für selbstverständlich zu nehmen, sich an echt kniffelige Aufgaben heranzuwagen, nicht nur die Sache, sondern auch den Betrachter zu reflektieren, eine Sensibilität für kulturelle Unterschiede ... Der ganze Intellektuellenkram halt, der auch in der Wirtschaft sehr, sehr gut gebraucht wird.

Abgesehen davon, dass sich sehr anregende Gespräche auch mit Geschäftsleuten ergeben, wenn man vom Gilgamesch-Epos, von Hafez und einem Haiku schon einmal etwas gehört hat.

Das Studium im Ausland war nicht nur akademisch sehr erfrischend; es war auch interessant, sich im internationalen Vergleich einordnen zu können. Für mich war prägend die Wertschätzung und Begeisterung für Bücher, Texte, Theorien in ihrer Vielfalt und Unterschiedlichkeit; und diese Wertschätzung als Vorschuss und mit einer Offenheit für das neu zu Entdeckende, für dessen Kanonisierung zu kämpfen es sich lohnt.

Vielleicht mehr Zeit und Austausch mit anderen Universitäten und Studenten im Ausland.

Milena Hassenkamp, Redakteurin

Als dieses Interview geführt wurde, war Milena Hassenkamp noch freie Journalistin und Volontärin. Mittlerweile ist sie Redakteurin im Hauptstadtbüro des SPIEGEL

Studiengänge: Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft

Universitäten: Ludwig-Maximilians-Universität München, Freie Universität Berlin

Ich arbeite als freie Journalistin für die Zeit, die Süddeutsche Zeitung, die taz, den Freitag und den Tagesspiegel. Außerdem werde ich als Volontärin an der Evangelischen Journalistenschule ausgebildet.

Neben der Ausbildung recherchiere ich Themen für die Ressorts Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur und biete diese meinen Auftraggebern an oder erhalte umgedreht Aufträge von ihnen, die ich dann recherchiere. Gelegentlich recherchiere ich mit der Unterstützung von Stipendien Geschichten im Ausland.

Meinen Wunsch, Journalistin zu werden, verfolge ich schon seit der Schulzeit. Durch meine Praktika und freie Mitarbeit bei verschiedenen Zeitungen im Rahmen des Studiums konnte sich dieses Vorhaben weiter festigen.

Komplexe Sachverhalte zu verstehen und verständlich darzustellen, lange Texte und Analysen zu schreiben, Themen zu finden und die Fremdsprachen, sowie Kenntnisse der Kulturen anderer Länder, die ich in meinem Beruf immer noch täglich brauche.

Ich habe den Austausch mit den Dozent*innen geschätzt, vor allem die Diskussionen in den Sprechstunden, für die sich die Lehrenden in München viel Zeit genommen haben. So entstand ein fast freundschaftliches Verhältnis, das ich als sehr inspirierend empfunden habe und mich zur Vertiefung verschiedener Inhalte anregte. Außerdem die Vorlesungen, bei denen man wöchentlich die eigenen Wissenslücken bemerkte, die man dann rasch ausbessern wollte.

Ich würde mich trauen, im Nebenfach Politikwissenschaft oder Jura zu wählen, um noch einen anderen Bezugsrahmen zur Literatur zu haben, den ich so erst nach dem Studium entwickelt habe.

Vera Kaulbarsch, Projektmanagerin

Tätigkeit: Projektmanagerin

Studiengänge: AVL, Anglistik

Universitäten: LMU, Seoul National University

Ich bin im Qualifizierungsbereich der Graduate School der TU München angestellt und hier für die Durchführung eines Drittmittel-Projekts verantwortlich. Ich entwickle einen Qualifizierungspfad für Promovierende, der sie auf eine mögliche Berufung auf eine HAW-Professur, aber auch auf eine Karriere in der Industrie vorbereitet. Durch die erforderliche Praxis-Erfahrung für eine HAW-Professur geht beides gewissermaßen Hand in Hand. Die Stelle ist auf der Schnittstelle zwischen Wissenschaftsmanagement und Beratung angesiedelt, was ein wachsendes Segment in Hochschulen darstellt.

Sehr unterschiedlich: Ich plane Veranstaltungen und Workshops, recherchiere mögliche Angebote und geeignete Trainer*innen und kümmere mich um organisatorische Fragen. Gleichzeitig berate ich auch Promovierende über ihre Karriereoptionen. Dann gibt es noch administrative Tätigkeiten, die mit dem Management eines Drittmittelprojektes zusammenhängen. Schließlich bleibt gelegentlich auch noch Zeit für Recherche und tiefergehendes Lesen von Fachliteratur.

Mein Studium und die anschließende Promotion sind tatsächlich wichtig für meine aktuelle Rolle, weil es wichtig ist, das Wissenschaftssystem zu verstehen. Auch meine Erfahrungen in der Lehre kommen mir bei der Ausrichtung von Veranstaltungen zu Gute.

Das Verstehen von komplexen Zusammenhängen, das Aushalten von Ambivalenzen aller Art und vor allem die Freude an neuen, unbekannten Dingen. Da die AVL einen ständig damit konfrontiert in einem bestimmten Gebiet wieder nur oberflächlich Bescheid zu wissen, lernt man auch einen gesunden Umgang mit Wissenslücken. Das ist eigentlich für jeden Beruf enorm wichtig.

Das intensive Diskutieren mit klugen Menschen und das kompromisslose Versinken in Texten und (manchmal abwegigen) Detailfragen. Diese Freiheit kann man gar nicht hoch genug einschätzen.

Diba Shokri, Promotionsstudentin

Tätigkeit: Promotionsstudentin

Studiengänge: Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Psychologie, Modern Languages, German Studies

Universitäten: Ludwig-Maximilians-Universität München, University of Oxford, University of Princeton

Ich schreibe am Department of German in Princeton an einer literatur-, kultur- und wissenshistorischen Dissertation über Theorien und Praktiken der Selbstbeobachtung um 1900. Dabei interessiert mich vor allem wie (Methoden)begriffe der experimentellen Psychologie in die großen narratologischen Kategorien des 20. Jahrhunderts eingegangen sind.

Mein Alltag sind Selbstbestimmtheit und Selbsterregertum, mit allem, was daran positiv und negativ ist. Im Idealfall kämpfe ich jeden Tag an meinem Schreibtisch mit anspruchsvollen Texten und versuche selbst gut zu schreiben. Das ist meistens unglamourös und beginnt damit, dass ich meine Gedanken anschiebe wie müde Ochsen (Musil). Am Ende ist es unendlich befriedigend etwa Kluges aufgeschrieben zu haben. In Princeton musste ich außerdem zwei Semester lang jeden Tag Sprachunterricht geben. Ich arbeite am liebsten vormittags, vor allem anderen, wenn meine Aufmerksamkeit noch nicht auf alle möglichen Geschehnisse des Tages gelenkt wurde, und am besten mit Oropax in mehrstündigen Zeitintervallen, in denen mich niemand unterbricht.

Dass die kleinste Zeiteinheit an der Universität akademische Jahre sind, macht mir nach wie vor manchmal Angst. Ich glaube aber, dass man sich selbst Strukturen bauen kann, in denen es möglich ist auch launisch, leidenschaftlich und schnell zu arbeiten.

In der Münchner AVL habe ich geübt eine gute Leserin und Autorin zu sein. Ich glaube, dass man es nicht lernt ohne es ständig zu machen und dass es keine Abkürzung dieses Prozesses gibt. Ich habe mich im letzten Jahr meines Masterstudiums für die Promotion entschieden, weil ich wissenschaftlich noch nichts geleistet hatte. Ich wollte und will ein intelligentes Buch schreiben, das nicht von sogenannten Bildungsbürgern für die eigene Klasse geschrieben ist und das den Test der Zeit besteht.

Die Einsicht, dass Literatur und Kultur im weitesten Sinne nicht sogenannten „Eliten“ vorbehalten, sondern als Begriffe auf eine Vielfalt gesellschaftlicher Phänomenen produktiv anwendbar sind. Dass alles Wissen sozial gemacht, narrativ, rhetorisch und metaphorisch durchdrungen und umkämpft ist. Dass es oft erhellend sein kann selbstverständlich gewordene Kategorien auf ihre Genealogien und Konjunkturen hin zu befragen. Dass „Universität“ ein seltsamer Ort mit hauseigenen Machtstrukturen ist, über den es sich lohnt nachzudenken. Dass man sich nicht des Dilettantismus schämen muss, wenn man breitgefächerte Interessen hat, sondern diesen Enthusiasmus als Perspektivenreichtum und gesunde Skepsis den allzu eingefahrenen Methoden der eigenen Disziplin gegenüber positiv wenden und ertragreich machen kann. Dass im geisteswissenschaftlichen Schreiben Verantwortung und gesellschaftsveränderndes Potential liegt.

Vor allem ist mir das soziale Leben meines Studienalltags in Erinnerung geblieben. Außerdem einzelne Seminare, in denen in das Gefühl hatte, etwas ein bisschen besser verstanden zu haben. Ganz bestimmte Lektüren.

Ich würde, gerade am Anfang, noch schamloser und noch lustgesteuerter nach allen Seiten hin ausstreuen, den Grenzen des deutschen Bachelor trotzen, wo ich kann. Es ist, glaube ich, ein nicht zu unterschätzender Vorteil, dass das Fächerspektrum der LMU dieses Ausschwärmen so leicht macht. Ich würde mich vielleicht auch um eine hilfswissenschaftliche Arbeit bemühen.