25 Jul

33. Workshop des Instituts für AVL: THE METER IS THE MESSAGE - Zur Übersetzung poetischer Form

Termin:

Fr.:
14:00 - 18:00 Uhr

25. Juli 2025

Ort:

Schellingstr. 3, R U104 B

Organisation: Martin von Koppenfels und Johanna Schumm

Plakat des 33. Workshops der AVL
© Emil Kauth

Dass Übersetzen mehr ist als ein Fährbetrieb, der Bedeutungen von einer Sprache in die andere hinüber transportiert, muss im literaturwissenschaftlichen Kontext nicht eigens betont werden. Nach Übersetzung verlangen können (je nach Sprechakt, Wirkungsintention, dominanter Sprachfunktion, etc.) so schwer greifbare Dinge wie Klänge, Rhythmen, Zäsuren, Stile, Haltungen, Gesten, Stimmungen, Atmosphären und vieles mehr.

Aus der Fülle möglicher Transaktionen jenseits der Semantik greift der Workshop die relativ klar umrissene Aufgabe der Übersetzung poetischer Formen heraus. Solche Formen sind keine Formalien. Ihre Übersetzung hat sich nicht nur mit Sprachgrenzen, sondern auch mit Kulturgrenzen auseinanderzusetzen. Das Musterbeispiel dafür stellen die unterschiedlichen Prinzipien des Versbaus (Silbenzahl, Silbenlänge, Betonungsmuster, etc.) dar, die keine Eigenschaft der jeweiligen Sprache darstellen, sondern kulturgeschichtlich determiniert sind. Was tun, wenn ein bestimmter Verstyp, eine bestimmte Gedichtform, ein bestimmter Klangeffekt in dem Kulturraum, in den sie übertragen werden sollen, anders konnotiert sind oder gar nicht existieren?

Die Beiträge des Workshops möchten – im Format übersetzerischer Werkstattgespräche – an solchen praktischen Problemen ansetzen. Von diesen ausgehend lassen sich aber auch allgemeinere Fragen stellen, die die Kulturgeschichte der Form betreffen: Sind poetische Formen sedimentierte Kultur, sedimentiertes Denken, sedimentierte Wahrnehmung oder sedimentierte Erfahrung? Und falls letzteres, um welche Art Erfahrung handelt es sich? Um Zeiterfahrung (wie die Tatsache nahelegt, dass sie aus sprachlichen Einheiten aufgebaut sind)? Oder einfach um die Erfahrung der Klangstruktur der jeweiligen Sprache? Sind sie überhaupt Sedimente von irgendetwas? Und wenn nicht, wie bilden sie sich dann heraus? Welchen Bedürfnissen entsprechen sie? Welchen Gesetzen folgt ihr Wandel?

Da poetische Formen zwar langlebig sein können, aber eben doch geschichtliche Gebilde sind, die entstehen und wieder verschwinden, wirft der Umgang mit ihnen auch die Frage nach der transhistorischen Dimension des Übersetzens auf. Wer sich heute mit den Formen ‚gebundener‘ Rede befasst, sieht sich auch mit der Erfahrung geschichtlicher Zeit konfrontiert. Das Übersetzen von Formen ist auch ein Über-die-Zeit-Setzen. Dabei geht es nicht zuletzt darum, etwas von der in der Form gebundenen Zeiterfahrung ins widerständige Material einer anderen Sprache hinüberzuretten.

Fokussiert auf Vers-Transaktionen schreiten die Vorträge einen weiten historischen Raum ab; von Jorge Manrique und Luis de Góngora über Friedrich Hölderlin bis zu Anne Weber:

14:15 Uhr - Begrüßung
14:30 Uhr - Martin von Koppenfels (München): Über die Zeit setzen.
Vom Umgang mit der begrenzten Haltbarkeit poetischer Sprache

15:15 Uhr - Susanne Lange (Barcelona/Berlin): Die Ordnung des Urwalds.
Góngora und die Silva

16:00 Uhr - Kaffeepause
16:30 Uhr - Susana Schoer Granado (Salamanca): Kehren die Kraniche wieder?
Hölderlins Verse ziehen nach Spanien

17:15 Uhr - Belén Santana López (Salamanca): Verse – oder eben auch nicht.
Zur Übersetzung von Anne Webers
Annette, ein Heldinnenepos (2020)
18:00 Uhr - Verabschiedung